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Typisch Piefke!

17. November 2010

Ein Spießbürger von preußischer Disziplin, das ist in Österreich der deutsche "Piefke". Dabei kann der Namesgeber gar nichts dafür: Er war Kapellmeister und Komponist. Jetzt wurde seine Lebensgeschichte aufgeschrieben.

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Hubertus Godeysen: Piefke. Kulturgeschichte einer Beschimpfung (Foto: va bene verlag)

"Der Piefke lief, der Piefke lief, der Piefke lief die Stiefel schief" – so sangen einst die Berliner Gören. Piefke, das war ein Spottname für den biedermeierlichen Spießbürger, erfunden von dem Journalisten und Satiriker Adolf Glaßbrenner vor rund 170 Jahren. Auf der Suche nach einem einprägsamen, zugleich berlinerisch klingenden Namen war er auf "Piefke" gestoßen und machte daraus eine literarische Figur. "Bange machen gilt nicht! Dieser Spruch, der immer noch bekannt ist und auch im Krieg galt, der kam von diesem Piefke", weiß der in Wien lebende Autor und Journalist Hubert Godysen. Er hat jetzt eine Kulturgeschichte des Spottnamens verfasst.

Der wahre Piefke in Preußen

Warum Glaßbrenners Piefke ausgerechnet in Österreich zu einem Schimpfnamen avancierte, ist eine lange Geschichte. Sie geht auf die Person des preußischen Musikdirektors und Militärmusikers Johann Gottfried Piefke zurück. Er wurde am 9. September 1815 im Wartheland östlich der Oder geboren und begann seine Laufbahn als Oboist im Musikkorps des 1. Brandenburgischen Leib-Grenadier-Regiments in Frankfurt an der Oder. Seine musikalische Begabung muss aufgefallen sein, denn bereits drei Jahre später erhielt er die Erlaubnis, an der Berliner Hochschule für Musik zu studieren. Zurück in Frankfurt/Oder avancierte er schließlich zum Musikdirektor und formte sein Musikkorps zu einem vielbeachteten Klangkörper, der das Musikleben der Oderstadt prägte.

Erfolg mit Wagner und Beethoven

Johann Gottfried Piefke - Anzeige für ein Konzert, das Piefke 1844 in Frankfurt (Oder) ausrichtete
Johann G. Piefke: Anzeige für ein Konzert 1844

Während eines Aufenthaltes mit seinem Regiment in Berlin in den 1850er Jahren erlangte Johann Gottfried Piefke die Aufmerksamkeit zahlreicher Kollegen. Musiker wie Komponisten lobten seine Bearbeitungen sinfonischer Werke für Blasorchester, darunter zahlreiche Beethoven-Sinfonien aber auch Kompositionen von Richard Wagner, der ihm seine Partituren zur Bearbeitung anvertraute. "Er hat Wagner in Preußen populär gemacht", betont Autor Hubert Godeysen. Musikdirektor Piefke nutzte den Aufschwung der Militärmusik um die Mitte des 19. Jahrhunderts und führte sie in Preußen zur Blüte. Er sorgte dafür, dass das österreichische Flügelhorn in preußischen Militärkapellen Mode wurde und veränderte damit nachhaltig den Klang der deutschen Militärmusik. Und natürlich hinterließ er zahlreiche eigene Kompositionen, vor allem Militärmärsche. Piefke, da ist sich Autor Godeysen sicher, gehört zu den populärsten Musikern seiner Zeit, bevor er zum verkanntesten Musiker der Geschichte wurde.

Vom Musiker zur Unperson

Das kam durch die Verunglimpfung seines Namens durch den deutschen Nachbarn Österreich. Auslöser war der Krieg zwischen Deutschland und Österreich und die Niederlage der Alpenrepublik. 1866 marschierte der Königliche Musikdirektor Piefke an der Spitze seines Musikkorps in Richtung Wien. Nach der verlorenen Schlacht von Königgrätz war der Hass der Österreicher auf die Preußen so groß, dass sie sich auf den Spottnamen für den preußischen Kleinbürger besannen. Seither gelten die Deutschen den Österreichern als "Piefkes". Johann Gottfried Piefke musste als Hassobjekt herhalten, weil er einen "Königgrätzer Marsch" komponiert hatte. Doch darüber hinaus war sein Name ohnehin in aller Munde.

Piefke als Held

Original Trompete von Wolf Birckholtz (Foto: Michael Münkwitz)
TrompeteBild: Michael Münkwitz

Nur zwei Jahre zuvor war er zum Helden avanciert und von Kaiser Franz Josef ausgezeichnet worden. Dabei hatte die Rolle, die der Militärmusiker dabei spielte, eher komischen Charakter: Während einer preußischen Offensive, bei der Piefke mit seiner Kapelle die Truppe anfeuerte, kletterte der preußische Musikdirektor schließlich auf einen Wall, um von dort oben aus mit einem Säbel weiter zu dirigieren. Als eine dänische Granate explodierte, wurden die Musiker mit Erde und Sand überschüttet, aber der unerschrockene Kapellmeister dirigierte tapfer weiter bis die Siegesfanfare erklang. Das Ergebnis dieser "Heldentat" war die Komposition des "Düppeler Schanzen-Sturmmarsches" aus der Feder Johann Gottfried Piefkes. Diesen Marsch hatte sich zuletzt der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch für seine Verabschiedung gewünscht – ein typischer Piefke eben.

Autorin: Sigrid Hoff
Redaktion: Gudrun Stegen